Ein schleichender Hörverlust setzt oftmals ab der Lebensmitte ein. Bis dahin ist das Gehör bereits zahlreichen Geräuschbelastungen ausgesetzt. Verkehrslärm, Musik und Gespräche bis hin zu berufsbedingten Geräuschkulissen setzen dem Gehör eines Menschen zu. Dabei leidet insbesondere das Innenohr. Diverse Studien konnten inzwischen wichtige Zusammenhänge mit der Wahrscheinlichkeit einer Demenz nachweisen. Denn die Schwerhörigkeit im Alter führt zu Gehirnveränderungen.
Schwerhörigkeit vs. Demenz: Folgen für das Gehirn
Das Innenohr spielt eine entscheidende Rolle für das Hörvermögen. Eine Altersschwerhörigkeit steht daher in enger Relation mit der Hörschnecke. Dort befinden sich zahlreiche feine Haarzellen. Sie bewegen sich, sobald eine Schallwelle auf sie trifft. Dadurch transportieren sie den Schall weiter, indem sie ihn in elektrische Impulse umwandeln.
Solche Signale interpretiert das Gehirn. Ein Hörverlust beginnt oftmals bei den hohen Frequenzen. Erkennt das Innenohr solche hochfrequenten Töne nicht oder unzureichend, führt das zu Auswirkungen bei Betroffenen. Wer Gesprächen oder anderen Geräuschen nicht länger folgen kann, zieht sich zurück. Eine derartige Einschränkung erfolgt häufig in kleinen Schritten. Das hat bei vielen älteren Personen Einsamkeit zur Folge – und die fördert eine Demenzerkrankung.
Die Wissenschaft vermutet, dass Schwerhörigkeit eine Veränderung im Gehirn bewirkt. Wer sich stärker auf das Hören konzentrieren muss, vernachlässigt für gewöhnlich automatisch andere Hirnfunktionen. Das beeinflusst vorrangig den Hippocampus und die Hirnrinde, mutmaßen Forschende. Die Konsequenz ist ein abnehmendes Gedächtnis, sodass eine Demenz wahrscheinlicher wird.
Studien bestätigen den Zusammenhang
Bereits 1989 konnte eine erste Studie belegen, dass der Verlust des Hörvermögens mit kognitiven Funktionsstörungen einhergeht. Schon damals wurde deutlich: Das Risiko für Demenz steigt mit dem Ausmaß der Schwerhörigkeit. Eine weitere Studie der Johns Hopkins School of Medicine forschte 18 Jahre lang mit Probanden an der Thematik.
Das Ergebnis ist deutlich: Diejenigen mit einem verminderten Hörvermögen hatten ein bis zu fünffaches Risiko, eine Demenzerkrankung auszubilden. Obwohl die beiden Studien bereits älter sind, konnte eine neuere Untersuchung die Ergebnisse untermauern.
Die im Jahr 2012 durchgeführte Studie von Gallacher et. al. bestätigte den deutlichen Zusammenhang zwischen einer Demenz und einer vorangegangenen Schwerhörigkeit. Demnach steigt das Demenzrisiko im Alter um das 2,7-fache pro 10 Dezibel Hörverlust. Um dieses Risiko zu reduzieren, können Hörgeräte hilfreich sein – so die Annahme der wissenschaftlichen Experten.
Eine aktuellere, umfassende Beobachtungsstudie erschien im Magazin »The Lancet Public Heath« und befasste sich zwischen 2006 und 2010 ebenso mit der Thematik in Großbritannien. Die Studie nutzte über 400000 Probanden. Sie bestätigt den Zusammenhang. Die Forschenden mutmaßen, dass der Einsatz von Hörgeräten gegebenenfalls vor einer Demenzerkrankung schützen kann. Die Ergebnisse belegen, dass das Risiko einer Demenzerkrankung um 42 Prozent steigt, sobald eine Person unter Hörverlust leidet, gleichzeitig aber kein Hörgerät verwendet.
Hintergrund: Was ist Demenz?
Eine Demenzerkrankung spielt für zahlreiche Menschen im Alter eine große Rolle. Dabei ist der Begriff vom lateinischen Sprachgebrauch abgeleitet. Er bedeutet so viel wie »unvernünftig«. Deshalb setzen ihn Experten oftmals mit einer Abnahme der Verstandeskraft gleich. Die Demenz bezeichnet vornehmlich mehrere einzelne Symptombilder.
Es existiert demnach Alzheimer-Demenz als bekannteste Variante der Erkrankung. Daneben sind die vaskuläre Demenz sowie die Lewy-Körperchen-Demenz mögliche Krankheitsbilder. In jedem Fall diagnostiziert ein geschulter Arzt eine solche Demenzerkrankung. Einige Symptome oder Beschwerden gelten generell als hinweisgebend. Sie zählen zu den typischen allgemeinen Anzeichen der Erkrankung:
- gesteigerte Unruhe oder Reizbarkeit
- schlechterer Orientierungssinn
- Konzentrationsstörungen
- erhöhte Vergesslichkeit
- Wortfindungsstörungen
- unbewusstes Wiederholen derselben Themen innerhalb von Gesprächen
Hintergrund: Was zählt als Hörverlust?
Eine Schwerhörigkeit setzt schleichend ein. Anfangs sind hohe Tonfrequenzen zwischen 2000 und 5000 Hz unhörbar. Betroffene merken zunächst nicht, dass sie schlechter hören. Das stellt ein Problem dar. Das Gehirn ist fähig, sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Es versucht, die Hörschwäche zu kompensieren. Das geschieht beispielsweise durch das »Lücken füllen« bei Gesprächen oder indem gehäuft von den Lippen abgelesen wird.
Dadurch baut das Gehirn gewisse Bereiche ab, die in puncto Hörverstehen wesentlich sind – und das kann eine Demenz begünstigen. Die nachstehenden, möglichen Symptome helfen, die eigene Situation besser einzuschätzen. Stellen Sie einige der Beschwerden bei sich selbst fest, kann ein Hörtest empfehlenswert erscheinen:
- Betroffene stellen TV-Geräte oder Radios lauter als üblich
- Betroffene bitten Gesprächspartner häufig, das zuvor Gesagte zu wiederholen
- Betroffene haben oft den Eindruck, sprechende Personen würden nuscheln und/oder undeutlich sprechen
- Betroffene nehmen gewisse Töne als unangenehm wahr oder empfinden sie als übermäßig laut
- Betroffene ziehen sich im Sozialbereich zurück
Fazit: Schwerhörigkeit behandeln, Demenz vorbeugen
Die Vorsorge ist ein wichtiges Instrument, um eine Demenzerkrankung zu vermeiden. Ein Hörtest ist dementsprechend angemessen zur Prävention. Viele Menschen sind ab der Lebensmitte von einem schleichenden Hörverlust betroffen. Ein Hörgeräteakustiker oder eine Diagnostik beim HNO-Arzt (Hals-Nasen-Ohren-Arzt) unterstützen Sie, die Risiken für Ihr Gehör und Gehirn gering zu halten. Denn die Wissenschaft ist sich längst einig: Hörgeräte tragen mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu bei, kognitive Veränderungen und Demenz aufgrund einer reduzierten Hörleistung zu vermeiden.
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