Mehr als die Hälfte aller Privathaushalte, die Grundsicherung erhalten könnten, nutzen diese nicht. Und das, obwohl das Einkommen der betroffenen Haushalte im Schnitt um 30 Prozent steigen würde, wenn sie ihren Anspruch auf Grundsicherung wahrnehmen würden. Besonders diejenigen, deren Einkommen zu den untersten zehn Prozent gehört, könnten profitieren: Ihr monatliches Einkommen würde sich mit der Grundsicherung ungefähr um 220 Euro erhöhen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die von der Deutschen Rentenversicherung gefördert wurde.
Dass ganze 625.000 Haushalte (62 Prozent der Berechtigten) auf ihren Anspruch auf Grundsicherung verzichten, erklärt sich Studienautor Hermann Buslei wie folgt: „Vielen ist das Verfahren vermutlich zu aufwendig – gerade bei kleinen Beträgen – oder sie wissen gar nicht, dass sie den Rechtsanspruch haben.“ Ein weiterer Grund könne die Angst sein, als „Almosenempfänger“ dazustehen.
Wer hat Anspruch auf Grundsicherung?
Grundsicherung können Personen erhalten, die
- die Regelaltersgrenze überschritten haben oder mindestens 18 Jahre alt und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind,
- gewisse Einkommens- und Vermögensgrenzen nicht überschreiten und
- ihren Wohnort bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben
Wichtig: Wer mehr als vier Wochen am Stück im Ausland verbringt, hat keinen Anspruch mehr auf Grundsicherung.
Wie hoch ist die Grundsicherung?
Die Grundsicherung soll den notwendigen Lebensunterhalt (Regelbedarf), angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, Vorsorgebeiträge sowie ggf. Mehrbedarfe für bestimmte Personengruppen (z.B. Menschen mit Behinderung) abdecken. Wie hoch die Sozialleistung ausfällt, hängt einerseits vom Bedarf und andererseits vom Einkommen und Vermögen des Beziehers ab. Reichen die eigenen finanziellen Mittel nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, wird das Einkommen mit der Grundsicherung aufgestockt, sodass der errechnete Bedarf einer Person abgedeckt werden kann. Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt folgende Faustregel: „Wenn Ihr gesamtes Einkommen unter 865 Euro liegt, sollten Sie prüfen lassen, ob Sie Anspruch auf Grundsicherung haben."
Wie wird die Grundsicherung berechnet?
Zur Berechnung der Grundsicherung gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales folgendes Beispiel:
Eine verwitwete, 68 Jahre alte Frau war nur kurz erwerbstätig und erhält deshalb nur eine kleine Rente. Sie fällt unter die Regelbedarfsgruppe 1. Ihr Regelbedarf liegt damit bei 446 Euro im Monat (Stand 2021). Aufgrund ihrer Gehbehinderung hat sie einen Mehrbedarf von 75,82 Euro im Monat. Hinzugerechnet werden Kosten für Unterkunft in Höhe von 390 Euro und Heizkosten in Höhe von 70 Euro pro Monat. Ihr gesamter Bedarf liegt also bei 981,82 Euro.
Diesem Bedarf werden ihre Einkünfte entgegengesetzt. Sie erhält nur eine kleine gesetzliche Rente in Höhe von 103 Euro. Hinzu kommt eine Witwenrente von 670 Euro im Monat. Insgesamt verfügt die Rentnerin also über ein Einkommen von 773 Euro im Monat.
Um den Bedarf zu decken, wird ihr Einkommen durch die Grundsicherung aufgestockt:
- Bedarf an Grundsicherung: 981,82 Euro
- Einzusetzendes Einkommen: 773 Euro
- Monatliche Sozialleistung (Grundsicherung): 208,82 Euro
Achtung: Hierbei handelt es sich lediglich um eine Beispielrechnung. Wer wissen möchte, ob und wie viel Grundsicherung ihm im Alter oder bei Erwerbsminderung zusteht, sollte sich individuell beim Sozialamt oder der Rentenversicherung beraten lassen.
Übrigens: Wer einen Bescheid vom Sozialamt erhält, dass ein Anspruch auf Grundsicherung besteht, kann sich damit vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag So lassen Sie sich vom Rundfunkbeitrag befreien
Update: Neuer Freibetrag 2021 bringt mehr Grundsicherung
Rentner, die mindestens 33 Grundrentenzeiten (Pflichtbeitragsjahre für eine versicherte Beschäftigung, Kindererziehungszeiten oder nicht erwerbsmäßige Pflege) vorweisen können, haben Anspruch auf einen Freibetrag bei der Berechnung der Grundsicherung im Alter.
Die Einführung des neuen Freibetrages 2021 führt dazu, dass zukünftig monatlich bis zu 223 Euro Einkommen bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben. Dadurch ergibt sich ein entsprechend niedrigeres (anrechenbares) Einkommen, was für Betroffene einen höheren Zuschuss bzw. erstmaligen Anspruch auf Grundsicherung bedeutet.
Der neue Freibetrag im Überblick:
Maßgebliche Bruttoaltersrente | Freibetrag |
320 Euro | 166 Euro |
360 Euro | 178 Euro |
400 Euro | 190 Euro |
440 Euro | 202 Euro |
480 Euro | 214 Euro |
ab 510 Euro | 223 Euro |
Ein Rechenbeispiel: Das Online-Portal Ihre Vorsorge von der Deutschen Rentenversicherung gibt für den Anspruch auf Grundsicherung im Alter folgendes Rechenbeispiel: Bezieht ein alleinstehender Rentner 1.300 Euro Bruttorente, werden zunächst dessen Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen. In diesem Beispiel geht man von 143 Euro aus, was einer verbleibenden Rente in Höhe von 1.157 Euro entspricht. Da die restliche Rente bei mindestens 510 Euro liegt, wird im nächsten Schritt der maximale Freibetrag in Höhe von 223 Euro abgezogen. Es verbleibt eine monatliche Rente in Höhe von 934 Euro. Schließlich spielen die Mietkosten des Beispielrentners eine wichtige Rolle. Wir gehen von 690 Euro warm aus. Zieht man diese Kosten ab, ergibt sich ein Rentenwert von nur noch 244 Euro, was unter dem Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 446 Euro (Wert für 2021) liegt. Die Differenz in Höhe von 202 Euro erhält der Rentner deshalb als Grundsicherung.
Wer bereits Grundsicherung erhält und die Voraussetzungen für den Freibetrag erfüllt, muss nichts unternehmen. Die Sozialämter berechnen den höheren Anspruch automatisch. Dabei handelt es sich allerdings um einen großen bürokratischen Aufwand, weshalb sich die Auszahlung noch deutlich hinziehen kann. Es gibt die höheren Bezüge dann aber rückwirkend ab Januar 2021.
Wer noch keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter hatte, sollte diesen jetzt noch einmal prüfen. Denn die Grundsicherung wird nicht automatisch ausgezahlt - sie muss beim Sozialamt beantragt werden (siehe unten). Durch den neuen Freibetrag kann es sein, dass Sie nun doch Anspruch auf die Grundsicherung haben.
Was zählt zum Einkommen?
Zum Einkommen, das bei der Berechnung für die Grundsicherung berücksichtigt wird, zählen
- Einkommen aus Erwerbstätigkeit
- Renten und Pensionen
- Unterhaltszahlungen von Eltern und Kindern
- Elterngeld über 300 Euro
- Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
- Kindergeld
- Krankengeld
- Kapitalerträge / Zinseinnahmen
Folgende Einkünfte werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt:
- 30 Prozent des Einkommens aus selbstständiger/nichtselbstständiger Tätigkeit, höchstens 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1
- Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz
- Unterhaltsansprüche gegenüber Eltern und Kindern, wenn deren Jahreseinkommen unter 100.000 Euro liegt
- Elterngeld bis 300 Euro
- Bus zu 200 Euro aus bestimmten steuerfreien Tätigkeiten (z.B. Ehrenamt)
- Pflegegeld
- Leistungen aus zusätzlicher freiwilliger Altersvorsorge (bis zu einem Höchstbetrag)
Quelle: Deutsche Rentenversicherung
Was zählt zum Vermögen?
Zum Vermögen, das bei der Berechnung für die Grundsicherung berücksichtigt wird, zählen
- Bargeld
- Wertpapiere
- Sparguthaben
- Haus- und Grundvermögen
- Pkw
Folgendes Vermögen wird bei der Berechnung nicht berücksichtigt:
- Bargeld: Schonvermögen von 5.000 Euro (bzw. 10.000 Euro bei Partnern)
- Angemessenes selbst genutztes Hausgrundstück bzw. Wohnung
- Angemessener Hausrat
- Familien- und Erbstücke, deren ideeller Wert den Verkaufspreis weit übersteigt
- Gefördertes Altersvorsorgevermögen einer Riesterrente (angesparte Riesterrente muss also nicht aufgelöst werden. Bei Auszahlung der Rente wird sie teilweise zum Einkommen gezählt.)
Quelle: Deutsche Rentenversicherung
Wo stellt man den Antrag auf Grundsicherung?
Grundsicherung ist eine Sozialleistung, die beantragt werden muss. Einen Antrag stellt man beim Sozialamt. Es ist auch möglich, den Antrag auf Grundsicherung bei der Deutschen Rentenversicherung abzugeben. Er wird dann ans Sozialamt weitergeleitet.
Ein Antragsformular gibt es als Download bei der Deutschen Rentenversicherung: S2410 - Antrag auf Grundsicherungsleistungen. Ebenso wie S2412 - Hinweise zum Antrag auf Grundsicherungsleistungen.
Wer sich vor dem Antrag auf Grundsicherung zunächst allgemein informieren möchte, kann sich ebenfalls beim zuständigen Sozialamt oder bei der Deutschen Rentenversicherung erkundigen.
Wichtig: Wenn der Antrag bewilligt wurde, wird die Grundsicherung für zwölf Monate gezahlt. Danach müssen Betroffene wieder einen neuen Antrag stellen. Eine Rückwirkende Zahlung ist nicht möglich.
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