Jede zweite Pflegeeinrichtung hat zu wenig Personal

Dass es in Deutschland an Pflegefachkräften mangelt, ist keine Neuigkeit. Wie viel Personal aber tatsächlich fehlt, hat nun eine neue Umfrage gezeigt. Demnach ist jede zweite Einrichtung unterbesetzt. Die unangenehmen Folgen tragen vor allem Bewohner und Angestellte. Zwei Pflegerinnen berichten aus ihrem Alltag, der maßgeblich vom Personal- und Kostendruck bestimmt wird.

13.02.2019
  • Lesezeit ca. 3 Minuten
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    13.02.2019
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© sabinevanerp/pixabay.com

Im Rahmen einer Umfrage, die die Evangelische Bank in Auftrag gegeben hat, wurden 300 Geschäftsführer und Verwaltungsleiter befragt, die zusammen etwa 1.250 stationäre Pflegeeinrichtungen in Deutschland vertreten.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Mehr als die Hälfte der Einrichtungen haben nicht genügend Pflegefachkräfte. In 60 Prozent der Heime gibt es unbesetzte Stellen – im Schnitt sechs Stück. Aufgrund des Personalmangels musste in den vergangenen drei Monaten jedes fünfte Heim einen temporären Belegungsstopp verordnen.

Mehr Gehalt als Anreiz

Viele Heime versuchen, den Personalmangel mit besserer Bezahlung zu bekämpfen. Höhere Löhne sollen in 46 Prozent der Einrichtungen als Anreiz für Beschäftigte wirken. Doch Christian Ferchland, Vorstandsmitglied der Evangelischen Bank, betont: „Dem Fachkräftemangel können Einrichtungen nur bedingt mit höheren Gehältern entgegenwirken.“ In erster Linie seien politische Maßnahmen erforderlich. Denn um überhaupt Gewinne zu erzielen, müssten viele Heime eine Auslastung von 94 Prozent erreichen. Oft fehlt für attraktive Löhne also schlichtweg das Geld.

Kostendruck belastet Bewohner und Pflegekräfte

Wie enorm der Kostendruck in den Heimen ist, zeigt ein aktueller Bericht im stern. Zwei Pflegerinnen des privaten Heimanbieters „Vitanas“ erzählen hier aus ihrem Berufsalltag. Eine Pflegerin „kommt beispielsweise eine halbe Stunde früher, bevor die Frühschicht um 6.30 Uhr beginnt. Das ist ihre Freizeit, aber sie arbeitet dann bereits. Unbezahlt. Sie macht es, weil sie sonst keine Zeit hat, einen Bewohner des Pflegegrads 5 zu betreuen“, heißt es in dem Artikel. Auf einer Station mit 37 Patienten arbeitet die Pflegerin ihren Schilderungen zufolge zu zweit, manchmal auch allein, wenn ihre Kollegin auf einer anderen Station aushelfen muss. Der Personaleinsatz sei so knapp kalkuliert, weil Personalkosten etwa 70 bis 80 Prozent der gesamten Kosten eines Heims ausmachen. Selbst mit 156 Überstunden erreiche sie nicht das, was der Job eigentlich für sie ausmacht: „Wir müssten den Bewohnern ein Zuhause-Gefühl bieten, aber wir bieten oft nur die Waschstraße.“

Eine zweite Pflegerin berichtet Ähnliches. Besonders schlimm sei für sie die Verteilung des Abendessens. Oft müsse sie einem Bewohner, der nach einer zweiten Scheibe Salami fragt, die Bitte ausschlagen. Sie „fühlt sich in solchen Momenten miserabel, aber die Salami-Scheiben sind abgezählt. Sechs bis sieben Stück für 22 Bewohner, wenn es denn Salami überhaupt gibt. […] Auch Tomaten sind abgezählt. Zwei Stück für 22 Bewohner.“ Gouda und Leberwurst gebe es genug, doch gerade deshalb würden viele Bewohner es nicht mehr mögen. Pro Tag stünden pro Bewohner 6,50 Euro zur Verfügung. Doch das Küchenpersonal solle für mögliche Feiern sparen. Deshalb gebe es faktisch nur knapp 4 Euro. „Nun versuchen sie mal aus dem Geld ein Frühstück, Mittagessen, Kaffee, Abendessen und Zwischenmahlzeit zu zaubern“, wird die Pflegerin im stern zitiert. „Das ist wie in der Kriegszeit.“

Heime greifen auf Leiharbeiter zurück

Die Umfrage der Evangelischen Bank hat ergeben, dass Pflegekräfte aus dem Ausland, vor allem aus Osteuropa, in 70 Prozent der Einrichtungen fest zur Belegschaft gehören. 40 Prozent der Heime greifen aber auch auf Leiharbeiter zurück, um Engpässe zu überbrücken. Eine der Pflegerinnen, die im stern von ihrer Arbeit erzählt, „ärgert sich über die Leiharbeitnehmer […], weil viele langjährige Kollegen gegangen sind und nur unzureichend ersetzt worden sind. Doch die Leiharbeitnehmer übernehmen manche Arbeiten nicht, wie das Dokumentieren oder das Waschen der Bewohner. Ist beispielsweise für die Frühschicht ein Leiharbeitnehmer eingeplant, dann werden einige Bewohner vorher gewaschen. ‚Das beginnt schon in der Nacht, mancher wird um vier Uhr dazu geweckt‘, sagt sie.“

Regierung will Pflege-Ausbildung ankurbeln

Insgesamt gibt es in Deutschland 38.000 offene Stellen in der Alten- und Krankenpflege. Die Regierung will nun in eine Ausbildungsoffensive starten. Mehrere Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass die Zahl an Auszubildenden und der ausbildenden Einrichtungen bis 2023 im Schnitt um zehn Prozent steigen. Außerdem soll es 5.000 neue Plätze für die Nachqualifizierung von Rückkehrern in den Pflegeberuf geben. Auch Arbeits- und Lohnbedingungen will die Regierung verbessern.

Das am 01. Januar 2019 gestartete Sofortprogramm Pflege soll also nur ein Anfang gewesen sein. „Wir haben uns vorgenommen, einen deutlichen Unterschied zu machen“, sagte Familienministerin Franziska Giffey auf dem Kongress Pflege 2019.


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