Wie gut sind eigentlich Pflegeheime? Welche Leistungen erhalten Bewohner? Gibt es genug Personal und ist die Versorgung ausreichend? Diese und weitere Fragen stellen sich spätestens dann, wenn es in der eigenen Familie zu einem Pflegefall kommt, der nicht mehr zu Hause betreut werden kann. Antworten sollte ursprünglich der Pflege-TÜV liefern, der im Jahr 2009 eingeführt wurde. Dieser sei bisher aber „leider eine Farce“ gewesen, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte.
Fast alle Heime erhielten Note 1
Das bisherige Benotungssystem für Pflegeheime war für Interessenten wenig aussagekräftig. Immerhin erhielt ein Großteil der über 13.000 Pflegeheime in Deutschland die Note 1. Grund dafür war vor allem, dass sich die Bewertungen unterschiedlicher Bereiche in der Gesamtnote ausgleichen konnten. Gab es in Sachen Wundpflege zum Beispiel eine schlechte Note, konnten Pluspunkte mit schönen Außenanlagen oder anderen Kriterien gesammelt werden.
Was ändert sich jetzt?
Ab sofort soll die Bewertung zeigen, wie umfangreich und gut die Pflege tatsächlich ist. Alle Pflegeheime müssen dazu regelmäßig angeben, welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung ergriffen werden. Die Angaben sollen halbjährlich erfolgen und vom Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) auf ihre Plausibilität geprüft werden. Einmal im Jahr soll der MDK die jeweilige Einrichtung aufsuchen und nachvollziehen, ob die Angaben glaubhaft sind. Die Frage, wie gut der Pflegezustand ist und ob die Einrichtung auf die Bedürfnisse der Bewohner eingeht, soll im Mittelpunkt stehen. Dazu werden nicht nur Fachgespräche mit dem Personal geführt, sondern auch mit Bewohnern. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, wird der MDK mit neun Bewohnern pro Heim sprechen.
Bewertet wird nicht mehr mit Schulnoten, sondern mit Kreisen, Dreiecken und Vierecken. Hierin vermerkte Zahlen sollen zeigen, in welchen Bereichen ein Pflegeheim über- oder unterdurchschnittlich abschneidet. Bis Ende 2020 sollen alle Pflegeheime in Deutschland mindestens einmal geprüft worden sein. Erste Ergebnisse soll es schon im Frühjahr 2020 geben.
Betroffene brauchen K.O.-Kriterien
Laut Jens Spahn ist der neue Pflege-TÜV ein „Riesenschritt für mehr Vertrauen ins System“. Dennoch scheint er längst nicht perfektioniert zu sein. Kritiker betonen, dass das neue Bewertungssystem für Betroffene schwierig zu verstehen sei.
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz sieht die Veränderungen grundsätzlich positiv. Allerdings äußert er im Interview mit dem Deutschlandfunk Zweifel an der Darstellungsform. Die Noten abzuschaffen und sie „durch Punkte, wenn Sie so wollen, Kreise und Quadrate zu ersetzen, das ist doch für den Nutzer ein Schritt zurück.“ Im neuen Pflege-TÜV gäbe es weder eine aussagekräftige Gesamtnote noch K.O.-Kriterien. „Wenn ich mich dafür interessiere, wie sieht es denn mit Schmerztherapie, mit Wundversorgung, mit Umgang von Fixierung aus, da gibt es keine Kopfnoten, die uns eine schnelle Orientierung hätten bringen können.“
Für eine schnelle und gezielte Entscheidungshilfe eignet sich der neue Pflege-TÜV aller Wahrscheinlichkeit nach also nicht. Die neue Bewertung gibt auch keinen Aufschluss darüber, wie viele Pflegekräfte beschäftigt sind und welche Ausbildung sie genossen haben.
Neuer Pflege-TÜV ist „Realsatire“
Sozialarbeiter und Pflegekritiker Claus Fussek sieht vor allem den Mehraufwand für Pflegekräfte als problematisch an. Der neue Pflege-TÜV sei aufwendig und bewirke keine Verbesserung in der Pflegequalität. Ganz im Gegenteil: Bereits überlastete Pflegekräfte müssten sich jetzt auch noch auf die neuen Prüfungen vorbereiten. „In der Praxis bedeutet das: Sie müssten in dieser Zeit die Patienten liegen lassen und sie anschließend für die Prüfung befragen, wie es ihnen geht. ‚Das ist Realsatire‘, sagt Fussek“ gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Keine freie Wahl beim Pflegeheim
Außerdem könnten Angehörige unter den Pflegeheimen ohnehin nicht frei wählen. Gute Heime hätten lange Wartelisten, während in anderen Einrichtungen der Personalmangel so hoch sei, dass ganze Stationen leer stünden. Ähnlich sieht es auch Eugen Brysch. „Und wenn Sie selbst heute ein Pflegeheim suchen, dann sage ich Ihnen, wie die Realität aussieht. Dann sind Sie erst mal froh, dass Sie eines haben, und dann gucken Sie, wie teuer es ist, und dann schauen Sie, was steht denn dann in dem Pflege-TÜV“, sagt er im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Betroffene und ihre Angehörigen sind also gezwungen, ihre Prioritäten in erster Linie darauf zu setzen, überhaupt einen Heimplatz zu bekommen und diesen auch finanzieren zu können. Die Qualität steht meistens hintenan.
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Dennoch rät Brysch dazu, auch auf die Qualität zu achten. Und dabei vor allem nicht nur auf den Pflege-TÜV zu vertrauen, sondern sich ein eigenes Bild zu machen. Betroffene und Angehörige können sich Außenanlagen und Räumlichkeiten selbst anschauen, mit Mitarbeitern und anderen Angehörigen sprechen und sich so ein eigenes Urteil bilden. „Sagen wir doch den Menschen, geht doch mal selber in die Heime hinein. […] Das tun wir doch bei allen Produkten auch und genauso sollten wir es auch dann tun, wenn wir uns selbst dafür interessieren, wie sieht es denn beim Heim um die Ecke aus.“
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